Cariati, Italien 1984

Eine Gruppe von 11 Absolvent*innen der HBK Braunschweig reiste 1984 auf Einladung der Stadt Cariati nach Kalabrien, Italien. Die beiden Wandbilder wurden in zahlreichen Gesprächen mit Bewohner*innen des Ortes und Recherchen vor Ort entworfen. Als stark von der Fischerei geprägter Ort im armen Süden Italiens waren dessen Geschichte und die Lebenswirklichkeit der Menschen stark durch Migration geprägt, zuletzt durch die Arbeitsmigration in den Norden, vor allem in die Fabriken nach Deutschland.
MIGRATION
Das große Wandbild entstand an einer Stützmauer direkt am Bahnhof von Cariati, wo viele Jahre lang morgens der Zug mit den Migranten abfuhr und zerrissene Familien zurückließ. Das Boot ist leer und ernährt die Menschen nicht mehr, die Welle der Migration spült sie in die deutschen Fabriken mit getakteter Bandarbeit. Die Kinder bleiben bei den Großeltern zurück. Die typische Seilwinde, mit der die Boote auf den Strand gezogen werden, wird zur Metapher für Veränderung: gemeinsam ziehen die Menschen – Fabrikarbeiter und Fischer, Frauen, Männer und Kinder – das Boot wieder ins Wasser und brechen auf in eine Zukunft, die sie selbst gestalten.
Das Bild existiert durch diffundierende Feuchtigkeit und Witterung, vor allem die starke Sonneneinstrahlung, seit Jahren nicht mehr. Es erscheint aber gelegentlich in den socialmedia-Kanälen und wird reichlich kommentiert von Menschen in und aus Cariati, die sich an das Bild erinnern, beim Projekt dabei waren oder ihre Lebensgeschichte darin wiedererkennen.
GENERATIONEN
Dieses Wandbild befindet sich auf einer Stützmauer an einer Aussichtsplattform zwischen dem alten, oberen Teil von Cariati und dem unteren Cariati Marina. Thema ist der Konflikt der Generationen zwischen Tradition und Erneuerung, der sich verstärkt durch die Migrationsgeschichte, die Erfahrungen der Migranten im Ausland. Im Wandel befanden sich insbesondere das Bild und die Rolle der Frau. Die junge Frau möchte den Schritt nach außen, nach vorn, in die Selbständigkeit wagen, ist aber auf der anderen Seite noch verbunden mit den Traditionen und entsprechenden Erwartungen an eine Frauenrolle in Haus und Familie.