about


KoPra e. V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Braunschweig und wurde 1986 von Absolvent*innen der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und Professor Dr. Georg Kiefer gegründet.

Zweck des Vereins ist die Arbeit an Formen kulturellen Ausdrucks durch die Zusammenarbeit von Künstlern und Künstlerinnen mit Bevölkerungsgruppen sowie durch interdisziplinäre und kooperative Arbeitsformen. Die Arbeitsweise beinhaltet entweder intensive Recherchen und öffentliche Entwurfsdiskussionen mit den Nutzern der örtlichen Gegebenheiten oder findet in direkter Zusammenarbeit mit bestimmten Gruppen statt. Wandmalprojekte beinhalten daher für uns immer mehr als die reine künstlerische Arbeit. Sie organisieren, vertiefen und vergegenständlichen öffentliche Kommunikation, sie sind auch soziale, politische, kulturelle Projekte.

Die Arbeit des Vereins ist an keine künstlerische Disziplin gebunden, der Schwerpunkt liegt jedoch im Bereich der Wandmalerei. Es wurden außerdem Film- und Fotoprojekte durchgeführt, Konzerte veranstaltet, mit Theatermethoden gearbeitet. Die Arbeitserfahrungen erstrecken sich auf die Konzep­tion und Durchführung von Projekten im In- und Ausland sowie auf interkulturellen Künstleraustausch.

Vorstand (2022): Susanne Hesch, Karsten Meier, Hansi Volkmann



> Wandmalerei und der öffentliche Raum – Muralismo

> Die Arbeitsweise. Kooperative Praxis – Interkulturelle Kooperation

> Partizipation – Bilder sind Modelle von Welt

> Verortung / Material / Zeit


Wandmalerei und der öffentliche Raum – Muralismo

Wandmalerei – Graffiti – Muralismo – Street Art – Illusionsmalerei – Kunst am Bau – Urban Art – Fassadenkunst – Museum unter freiem Himmel – Open-Air-Galerie – Kunst im öffentlichen Raum …
Die Begriffe sind vielfältig und zeigen, dass der künstlerischen Arbeit im öffentlichen Raum unterschiedliche Konzepte oder Anknüpfungspunkte zugrunde liegen oder dass sie sich aus unterschiedlichen Zusammenhängen heraus entwickelt haben.

Die ersten Wand- und Großbilder der Gruppe, die sich dann als KoPra e.V. organisierte, entstanden in den 1980er Jahren. Wir hatten Kunst, Kunstpädagogik oder Kulturarbeit studiert und waren hungrig danach, unser bildhaftes Denken und Schaffen in die Öffentlichkeit zu stellen. Vor allem wollten wir uns nicht vereinzelt in Ateliers zurückziehen, sondern mit unserer Sprache an den gesellschaftlichen Themen der Zeit teilnehmen. Eine der ersten Aktionen war die Gestaltung von Großplakatflächen zum Friedensmarkt der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1982.

Muralismo. Beispielgebend für KoPra waren Wandbilder, die aus sozialen und politischen Bewegungen entstanden, wie im Chile und Nicaragua der 1970er Jahre, wie in Orgozolo, Sardinien, gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketen, die aufklärerischen Wandmalereien der mexikanischen Revolution ab 1910 mit den Künstlern Diego Rivera, José Clemente Orozco und David Alfaro Siqueiros, die kulturellen Manifestationen von Einwanderergruppen in Los Angeles, illegale Graffiti und subkulturelle Fassadenmalereien sowie die in den 70er/80er Jahren öffentlich geförderten Wandbildprojekte in Bremen und Berlin.

Der Mexikaner Orozco nannte die Wandmalerei 1929
„die höchste, folgerichtigste und stärkste Form der Malerei. Sie ist auch die uneigennützigste, weil sie nicht zum Gegenstand persönlichen Nutzens verwandt werden kann, noch zum Vorrecht einiger weniger Benutzer versteckt werden kann. Sie ist für das Volk. Sie ist für alle.“

Wandmalerei ist öffentliche Kunst. Sie versteckt sich nicht hinter Mauern, sondern befindet sich auf ihnen und spricht ohne Öffnungszeiten und Eintrittsgelder viele Menschen an.

Ein großartiges Beispiel dafür, wie Malerei direkt die sozialen Gegebenheiten verändern kann, sind die großen Wandgemälde von CitéCréation auf Wohnblocks in Lyon. Als Freilichtmuseum ziehen sie Publikum an, werten den Stadtteil auf, führen zur Ansiedlung kleiner Läden, und verbessern auf diese Weise den Lebensstandard der Bewohner.

Welche Motive und Themen gelangen auf die Wände?
Wir sehen Wandmalerei nicht nur als Kunst im öffentlichen Raum, sondern auch als öffentlichen Ausdruck. Wandmalerei reagiert auf das visuelle und räumliche Umfeld (Architektur, Sichtachsen), sie fragt nach den Nutzer*innen und Betrachter*innen, sie erforscht, welche Themen hier gerade in der Luft liegen. Die Arbeit an den Wandbildern ist ein kommunikativer Prozess zwischen den Künstler*innen und der Bevölkerung. Sie stiften damit Identität und stärken das Zugehörigkeitsgefühl.

Auf die uns im Alltag umgebenden öffentlichen Bildwelten haben wir kaum Einfluss. Obwohl in den Medien von Fernsehen bis Internet die ganze Welt bildhaft verfügbar ist, sind wesentliche Bereiche von Mensch und Gesellschaft im materiellen Umfeld schlicht ausgeblendet. Die Bildwelten unserer Innenstädte bestehen aus Aufforderungen zum Konsum, in den Wohnsiedlungen finden sich kaum Zeichen sozialer Kommunikation, die Arbeitswelt ist ein abgeschlossener Bereich für die jeweils Zugehörigen, für Kinder und Jugendliche sowie alte Menschen sind familiäre oder institutionelle Schonräume geschaffen. In Bezug auf öffentliche Kommunikation und Demokratisierungsprozesse ist die Stadtgesellschaft durch Beteiligung an der Gestaltung von Spielplätzen, städtischen Räumen, Stadtvierteln, Freiräume für kulturelle Veranstaltungen, Märkte, Feste, Kundgebungen, Versammlungen, urban gardening und andere alternative Projekte in verschiedensten Formaten offener, vielfältiger und kreativer geworden. Mit der Veränderung des Handels und den zahlreichen Leerständen in den Innenstädten wird aber auch deutlich, wie eindimensional dieser öffentliche Raum in den letzten Jahrzehnten geprägt wurde. Man sucht nach alternativen Nutzungskonzepten, aber Grenzen gibt es dort, wo „öffentlicher“ Raum in Wirklichkeit Privateigentum ist. Wie lange das ehemalige Kaufhaus leer steht und welche Nutzung kommen soll entscheidet letztlich der Eigentümer.

Wandmalerei bedeutet eine (Rück-) Eroberung des öffentlichen Raums. Sie setzt sich mit dem Umfeld des jeweiligen Standortes auseinander und greift in dieses ein. Wandmalerei macht die uns umgebenden Wände, die unsere Bewegungen und Blickrichtungen kanalisieren, zu Projektionsflächen für geistige Bewegung und Perspektiven. Wie kein anderes Medium ist ein Wandbild nach außen gekehrt, prägt die Erscheinung des urbanen Umfeldes, die Gestalt von Lebensräumen, ist Ausdruck öffentlicher Diskussion und kultureller Präsenz und oft genug Gegenöffentlichkeit.

Aus dieser öffentlichen Präsenz ergibt sich eine besondere Verantwortung der Wandmalerei im Vergleich zu anderer künstlerischer Produktion. Bei Kunst in Ausstellungen und Museen können sich die Betrachter*innen bewusst für eine bestimmte Zeit lang mit den Werken auseinandersetzen. Und sie ist geprägt von den individuellen Fragestellungen und Ausdrucksweisen der jeweiligen Künstler*innen. Wandbilder hingegen sind an ihrem Ort ständig präsent. Die Menschen leben Tag für Tag damit – Themen und Bildsprache sind daher am besten in der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort zu entwickeln. Bild zu sein und gleichzeitig Gestaltung von Lebensraum macht die Wandmalerei zu einer der spannendsten künstlerischen Herausforderungen.

Seit der Höhlenmalerei haben sich Menschen in Bildern ihrer selbst vergewissert, sich über ihr Leben und den gesellschaftlichen Konsens verständigt.


Die Arbeitsweise.
Kooperative Praxis – Interkulturelle Kooperation

Im Gegensatz zu Bereichen wie Musik, Theater, Wissenschaft wird in der Bildenden Kunst oft einzeln und isoliert gearbeitet, es zählt die individuelle Herangehensweise und Handschrift der einzelnen Kunstschaffenden. Für Wandbilder ist es schon allein wegen der zu bewältigenden Größe sinnvoll, zu mehreren zu arbeiten. Aber es geht auch um das Gelingen kooperativer künstlerischer Prozesse, das Nutzen verschiedener Kompetenzen, die Vielfalt an Ideen, den gemeinsamen Entwurf.

Der gesamte Entwurfsprozess besteht aus einem mehrfachen Wechsel von individueller Arbeit und Austausch in der Gruppe: Recherche zu Standort und Thema – Austausch – zeichnerische Recherche und Sammlung von Bildideen – Austausch – maßstäbliche Komposition – Austausch… (ggf. Wiederholungen). Der Bildfindungsprozess öffnet sich zunächst in der Breite und verdichtet sich durch Besprechungen und Austausch zunehmend. Im letzten Schritt werden die unterschiedlichen maßstäblichen Entwürfe vertikal angeordnet und im Diskurs zu einem Endentwurf zusammengezogen. Ohne die Bildfindungen ausführlich zu verbalisieren, nimmt im Verlauf des Prozesses jede*r bestimmte Ideen von anderen auf, integriert sie, führt sie weiter. Das bedeutet große künstlerische Freiheit in den Bildideen, weil deren Wirkung sofort im Austausch mit der Gruppe kontrolliert werden kann. Und es erweitert die Möglichkeiten bildnerischer Lösungen. An der Wand arbeiten die Künstler*innen idealerweise abwechselnd in verschiedenen Bildbereichen, um auf diese Weise zu verhindern, dass sich individuelle Formen und Handschriften herausbilden.

Die Entwürfe werden des weiteren den Nutzerinnen, z. B. Anwohnerinnen, präsentiert und, meist in öffentlichen Veranstaltungen, diskutiert. Und auch der öffentliche Malprozess ist ein wichtiger Bestandteil des ganzen Prozesses, die Passant*innen können die Künstler*innen kennenlernen, zuschauen, es wird vor Ort kommentiert, gefragt, diskutiert, erzählt, geholfen und auf diese Weise eine stärkere Identifikation mit den Bildern erreicht.

Viele KoPra-Wandbilder sind Ergebnis einer Kooperation internationaler Künstler*innen. Dabei sind die Erfahrungen, Kenntnisse, Sichtweisen und Ausdrucksmittel sowohl individuell als auch kulturell unterschiedlich. Sie werden durch den methodisch organisierten künstlerischen Arbeitprozess, der die Recherche, Austausch und Auseinandersetzung, gegenseitiges Infragestellen und voneinander Lernen einschließt, Bestandteil des gemeinsamen Werkes. Die Projekte verstehen sich damit als transkulturelle Projekte – der Begriff, der der lateinamerikanischen Kulturwissenschaft entstammt, verweist auf die Möglichkeit, dass Aspekte verschiedener Kulturen einander durchdringen, um zu einem Neuen zu werden, das mehr ist als die Summe seiner Teile und sich dem Kampf um kulturelle ldentitäten verweigert. Angesichts weltweiter Migrationsbewegungen ist die Kommunikationsfähigkeit vor Ort unerlässlich für eine menschliche Perspektive.

Zur interkulturellen Kooperation siehe auch die Projekte „500 Jahre Lateinamerika – Europa 1992“ sowie die Projekte UNIVERSI und INTER-NOS in Santiago de Cuba.


Partizipation – Bilder sind Modelle von Welt

Ein großer Teil der KoPra-Wandbilder sind beteiligungsorientierte Projekte. Künstler*innen arbeiten mit Gruppen vor Ort, mit Anwohner*innen im Stadtteil, Jugendlichen und Kindern in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, in Jugendzentren, Schulen.

Dabei bringen die Künstler*innen die gestalterische und methodische Kompetenz ein, die Teilnehmer*innen erarbeiten die Inhalte und Motive, denn es geht um die Gestaltung ihres Lebensumfeldes und den Ausdruck ihrer Ideen, um Identifikation und kulturelle Präsenz. In diesen Projekten zeigen die Beteiligten ihr Bild von der Welt. Sichtbarkeit und Kommunikation sind Voraussetzungen für demokratische Prozesse.


Verortung / Material / Zeit

Wir arbeiten mit Dispersionsfarben und Künstler-Acrylfarben auf – vorzugsweise verputzten und grundierten – Wänden. Materialcollagen oder Reliefs ergänzen ggf. die Gestaltung. Wenn die Wände nicht gut bemalbar sind oder wenn Kinder mitarbeiten, die nicht auf das Gerüst klettern dürfen, werden wetterfeste Holzplatten in Formen gesägt, bemalt und auf der Wand verschraubt. Je nach baulichem Zustand der Wand und Wettereinflüssen kann mit einem Bestand von ca. 10 Jahren gerechnet werden. Einige Bilder bestehen aber inzwischen auch deutlich länger.

Bei dem 1993/94 an der Universität von Santiago de Cuba entstandenen Wandbild UNIVERSI sind die Farben durch die starke Sonneneinstrahlung zunehmend ausgeblichen, dafür haben die Bilder derart an grafischem Ausdruck gewonnen, dass sie (bisher) nichts an ästhetischer Qualität eingebüßt haben. Einige Verantwortliche der Stadt plädieren inzwischen für eine Restaurierung des Wandbildes.

Die Wandbilder von 1984 in Cariati, Kalabrien waren hingegen schon nach zehn oder fünfzehn Jahren komplett verschwunden. Außer Sonneneinstrahlung und Salzgehalt der Luft gab es hier diffundierende Feuchtigkeit, da es sich um eine Stützwand am Hang handelte. Hier entstand vor wenigen Jahren sogar das Interesse, die Malerei vollständig wiederherzustellen. Mit dem Wandbild zum Thema Migration hatten sich die Bewohner*innen stark identifiziert und für diejenigen, die als junge Erwachsene daran teilgenommen hatten, bedeutete es einen wichtigen Teil ihres Lebens.

Als Künstler*innen sind wir stolz, wenn die Bilder eine so starke Bedeutung für die Gemeinschaft haben und behalten. Aber das Konzept der Wandmalprojekte setzt nicht auf Konservierung. Die Bilder sind immer in einem aktuellen Kontext entwickelt und wurden meistens mit geringen Ressourcen umgesetzt. Wäre es nicht besser, Möglichkeiten zur Veränderung der alten Wände in einem neuen lebendigen sozialen Kommunikationsprozess zu schaffen?

Die Verortung – dazu gehört auch die Arbeit vor Ort – und die Aktualität der Wandbilder, der inhaltliche und räumliche Bezug zum konkreten Umfeld, den Gegebenheiten und Menschen gehört zum grundlegenden Kern der KoPra-Projekte.